Heute ist der 23.12., ein Samstag, und es ist nun 20:15 Uhr – alle sind bereits im Bett. Während ich diese Zeilen verfasse, empfinde ich bedauerlicherweise keine Verbesserung in meiner Beziehung zu Franziska. Zwischen uns herrscht mittlerweile eine Art Eiszeit. Wir wechseln nur sporadisch ein „Guten Morgen“, es gibt kein „Gute Nacht“, keine Absprachen oder täglichen Gespräche mehr. Ich habe Schwierigkeiten zu verstehen, welche Auswirkungen ihre Therapie auf sie hat. Ihr Verhalten gibt mir nicht das Gefühl, dass sie nun stabiler im Leben steht, auch nach einem Monat nicht. Fortschrittsberichte von ihr bleiben aus, und aus Angst vor Ablehnung traue ich mich nicht nachzufragen. In vergangenen Auseinandersetzungen wurde mir stets vorgeworfen, dass ich mich nicht für ihr Leben interessiere, was nicht der Fall ist. Dennoch hindert mich mein Bauchgefühl daran, einfach auf „normal“ umzuschalten.
Ich fühle mich weiterhin nicht wertgeschätzt, ungerecht behandelt und absolut unverstanden. Mein Tag bestand heute aus Backen und Kochen. Gestern habe ich Lebkuchenteig vorbereitet und heute Vormittag gebacken. Zum Mittagessen habe ich Kartoffelsalat mit Saitenwürsten zubereitet und zum Abendessen Reste aus Kartoffeln, roter Beete und Kürbissuppe serviert. Parallel dazu habe ich Rindsrouladen und Rotkraut für morgen vorbereitet. Von Franziska erhalte ich höchstens ein „Ich kann auch kochen“ oder „Du musst dir wegen mir nicht so viel Mühe geben.“ Dabei begreift sie nicht, dass mir die richtige Unterstützung von ihr enorm viel Freude bereiten würde. Ich möchte, dass es vor allem ihr schmeckt und dass gerade zu Weihnachten etwas Besonderes auf dem Tisch steht. Bei mir zu Hause war das immer so, wenn mein Vater gekocht hat, und das möchte ich auch Sasha und Nelian vermitteln.
Wenn Franziska nur einen Bruchteil der Wertschätzung mir gegenüber zeigen würde, wie sie es bei Fremden tut, hätte ich ein ganz anderes Gefühl. Sie tut so viel für andere, selbst wenn es ihr selbst schlecht geht oder sie davon einen Nachteil hat. Heute hat sie sogar Honig für jemand anderen ausgeliefert, weil der Kunde es nicht geschafft hat, ihn selbst bei uns abzuholen. Das wäre an sich nicht schlimm, aber mir gegenüber gibt es solche Gesten schon sehr lange nicht mehr, und jedes Mal, wenn sie für andere da ist, schmerzt es mehr – ich fühle mich verworfen. Es ist, als ob sie sich rächen möchte, als ob sie meint, dass mir das, was passiert, recht geschieht, weil ich sie schlecht behandelt habe.
Ob das stimmt, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass es sich miserabel anfühlt, und ich empfinde mich als absolut wertlos. Umso mehr Mühe gebe ich mir dann eben mit solchen Dingen wie Kochen oder Backen. Vor ein paar Wochen habe ich ein ganzes Kaninchen auf griechische Art zubereitet. Das hatten wir zuvor noch nie, und es war das erste Mal für mich, dass ich mir das zugetraut habe. Das Kaninchen kam vom Nachbarn im Tausch gegen Honig. Ich habe Stunden damit verbracht, mir das Zerlegen anzueignen, das Fleisch vorzubereiten und für das Drumherum zu sorgen. Wir konnten dreimal davon essen. Anstatt eines einfachen „Schmeckt lecker“ kam von Franziska nur ein nüchternes „War bestimmt viel Arbeit“. Auf die Frage, ob es schmecke, folgte lediglich ein „Ja“. Nichts weiter, gar nichts. Ich habe mir unendlich viel Mühe gegeben, und hätte ich das Thema angesprochen, wäre mit großer Sicherheit nur gekommen: „Du musst dir die Mühe ja nicht machen wegen mir.“ Was soll ich da noch tun? Ich mache mir die Mühe gerade wegen ihr – um gesehen zu werden, um einen Wert für sie zu haben und um wenigstens ein bisschen Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber je mehr ich mich anstrenge, desto weniger fühle ich mich wahrgenommen.
Das bringt mich an den Rand der Verzweiflung, zumal auch die Kinder solche Bemühungen nicht zu schätzen scheinen. Hier habe ich jedoch die Hoffnung, dass es noch kommt. Alles in allem bin ich deswegen so frustriert, dass diese Gefühle im Alltag oft hochkommen, und dann bin ich einfach nur schlecht drauf. Ich lasse es an den Kindern aus oder auch an Franziska, oder ich gebe mir selbst die Schuld – ich fresse es in mich hinein und sehe keinen Ausweg. Andere Männer kochen überhaupt nicht, kümmern sich nicht um die Küche oder die Ernährung im Allgemeinen. Ich hingegen tue das alles sehr gerne und habe Spaß dabei, mit Liebe zu kochen. Nichts ist schöner, als zu hören, dass es schmeckt. Ich kann mich schon nicht mehr daran erinnern, wann ich das zum letzten Mal aus Franziskas Mund gehört habe. Dennoch hege ich die Hoffnung, dass es vielleicht morgen soweit sein könnte – aber je größer die Hoffnung, desto größer ist leider auch die Enttäuschung, sollte es nicht dazu kommen.
Jetzt packe ich meine Geschenke für die Kinder morgen ein. Franziskas Geschenk ist ein Fotobuch mit Fotos, auf denen sie sehr herzlich lächelt und froh zu sein scheint. Es ist eine Sammlung aus den letzten vier Jahren oder so. Alle Fotos habe ich selbst gemacht und auch bearbeitet. Ich bin sehr gespannt, wie sie darauf reagiert – auch hier habe ich mir außerordentlich viel Mühe gegeben. Habe aber die schlimme Befürchtung, dass es keine Beachtung finden wird.