Auf in ein neues Jahr

Heute ist der 29.12.2023, kurz vor 23 Uhr. Über Weihnachten ist viel passiert, einiges habe ich teilweise auf Video festgehalten, da mir die Kraft zum Schreiben fehlte. Es kam, wie es kommen musste – mein Frust entlud sich, und am Weihnachtstag prallten wir früh aufeinander. Glücklicherweise konnten wir uns wegen der Kinder wieder fangen, bis es am Abend erneut eskalierte, als Franziska wegen Sasha das Haus verwüstete (Badezimmereinrichtung zerstört, Küchentürrahmen ausgeschlagen). Danach wurde es etwas ruhiger, aber stets begleitet von einem unguten Gefühl über die Feiertage. Darauf möchte ich an dieser Stelle jetzt nicht eingehen.

Ich schreibe, weil ich, wenn ich auf das Jahr 2023 zurückblicke, immer mehr die Perspektive zu verlieren scheine. In den letzten Wochen, seit Franziska in der Klinik ist, habe ich nicht das Gefühl, dass sich irgendetwas bessert. Im Gegenteil. Franziska grübelt unentwegt, ist woanders, auch in Gegenwart der Kinder. Am Dienstag, dem ersten Tag nach den Feiertagen, hatte sie in der Klinik einen Zusammenbruch, weil sie Weihnachten als schlimm für die Kinder empfand. Details hierzu habe ich von ihr nicht erfahren. Entsprechend schlecht war die Stimmung zu Hause. Wenn ich alleine mit den Kindern bin, kann ich mich freuen und habe gerne Spaß an gemeinsamen Dingen. Schwierig ist, dass Sasha sehr egoistisch gegenüber Nelian ist und ihn teilweise schlecht behandelt. Nelian auf der anderen Seite sieht in Sasha sein großes Vorbild und will ihr auf Schritt und Tritt folgen. Diese Nähe kann Sasha verständlicherweise nicht immer gebrauchen, reagiert dann aber knallhart. Daher versuche ich gerade, den Teamgeist der beiden zu stärken.

Damit kann ich mich abfinden und sehe das Positive in der Chance, diese intensive Zeit mit den Kindern zu verbringen. Wenn Franziska gegen 15 Uhr nach Hause kommt, ist sie meist platt. Versucht dann aber, mich zu entlasten, indem sie beide Kinder übernehmen möchte. Das hält meist 30 Minuten, und dann geraten beide Kinder im wahrsten Sinne des Wortes aneinander. Daher gibt es derzeit für mich keinerlei Verschnaufpausen. Ich kümmere mich von früh bis spät um fast alles. Das Zubettgehen klappt seitdem Franziskas Matratze in Nelians Zimmer ist, besser. Wir kämpfen jedoch immer noch jeden Abend mit dem Zähneputzen, Eincremen seiner entzündeten Haut im Gesicht, dem Gang auf die Toilette und anderen Kleinigkeiten. Sasha zieht dann mit, obwohl sie sehr selbstständig sein kann, weil sie sieht, dass Nelian dadurch so viel Aufmerksamkeit, vor allem von Franziska, erhält. So lehnt sie dann z.B. mich ab, der sie nicht beim Anziehen, Zähneputzen und Ins-Bett-bringen begleiten darf. Das heißt, zuerst muss sich Franziska um Nelian kümmern und dann um Sasha; zuvor war sie selbst noch lange im Bad. Das ist zum Glück nicht immer so, und beide Kinder machen mit. Aber beim Vorlesen im Bett fummelt Nelian zur Beruhigung immer an Franziskas Brüsten. Sie hat es noch nicht geschafft, ihm das abzugewöhnen, auch nachts macht er das ständig. Franziska ist dadurch extrem gereizt, besonders nach anstrengenden Tagen, sodass Nelian regelmäßig angeschrien wird.

Damit beginnt die Teufelsspirale: Franziska ist gereizt, Nelian meist sehr müde und durch das Anschreien wütend. Ich möchte zur Hilfe kommen und Nelian mit nach unten nehmen, aber er lehnt das ab und wird dann auch wütend auf mich. Heute war so eine Situation, und ich konnte Nelian zum Glück mit ein paar Tricks überreden, mit mir nach unten zu kommen. Ich habe ihm dann noch zwei Bücher vorgelesen und das Licht ausgemacht. Dann hörte er noch eine Geschichte von Opa Rolf und ist – mit Zwischenkommentar, dass er zu Mama hoch möchte – eingeschlafen. Morgen ist es Sasha, die durchdreht, übermorgen beide und danach ich oder Franziska. Das passiert am Abend, nach dem Aufstehen, nach dem Frühstücken oder irgendwann am Tag – zu 90% jedoch, wenn Franziska anwesend ist. Alleine habe ich die Lage viel eher im Griff. Ich denke, weil hier niemand gegen mich arbeitet. Franziska und ich widersprechen uns oft und gehen mit Situationen anders um. Mittlerweile ist aber sehr klar, dass sie alleine mit den Kindern nicht mehr klarkommen würde.

Und genau das macht mir riesige Angst. Bedingt durch den Aufenthalt in der Tagesklinik hatte ich die letzten Wochen kaum Zeit, meine Arbeit zu machen – nicht nur beruflich, sondern auch im Haus und Garten. Ich habe Daten auszuwerten aus zwei großen Projekten. Für eines brauche ich die Daten, um einen Schlussbericht anzufertigen. Das ist sehr wichtig, und die Deadline ist bis Ende März. Klingt zwar nach viel Zeit, aber das ist es nicht – angesichts der Arbeit, die sonst noch auf dem Schreibtisch liegt. Im Garten habe ich dieses Jahr nichts zurückschneiden oder einwintern können, der Schleuderraum ist nicht aufgeräumt, die Schleuder ist noch voller Honigreste usw. Es ist unmöglich, die Kinder mit Franziska für längere Zeit alleine zu lassen – so kann ich z.B. auch keine Dienstreisen zu meinen Projektvölkern nach Brandenburg oder Bayern machen, da ich nicht ruhig schlafen könnte, dass hier nicht das Chaos ausbricht.

Ich weiß dadurch aber auch sehr zu schätzen, wie es früher war, als das alles ging. Wobei ich mich jetzt immer mehr frage, wie gut oder schlecht das für die Kinder war, wenn es dann vielleicht doch nicht gut geklappt hatte. Jedenfalls belastet mich die Situation extrem, da ich noch so viel Arbeit nachzuholen habe und ich nicht weiß, wie ich das schaffen soll. Zumal die Aussichten derzeit einfach nicht besser werden. Franziska ist jetzt noch bis Februar in der Klinik. Sollte es aber nochmal so einen Absturz wie an Weihnachten geben, dann stehen die Chancen auf einen stationären Aufenthalt sehr hoch. Vielleicht wäre es so sogar einfacher, problematisch ist nur, dass ich nicht daran glaube, dass es für sie besser wird.

Ich habe auf mich selbst zurückgeschaut und merke, dass ich eigentlich immer voller Optimismus im Leben stand – besonders als Single. Dort gab es zwar auch große emotionale Phasen wie z.B. der Tod meines Vaters im Jahr 2012 oder die Trennung von meiner großen Liebe Andrea im Jahr 2014. Das ging aber alles irgendwie vorüber, bzw. ich konnte mich auf mich konzentrieren und ablenken. Ich merke aber jetzt, mit Franziska an meiner Seite, wie extrem es mich herunterzieht, wenn sie so unglücklich ist. Wir haben absolut alles im Leben; zwei tolle, gesunde Kinder, unsere eigene Gesundheit, ein großes Haus mit Garten in einer tollen Gegend, die so viel bietet, mehr als genug Geld, mit dem wir uns eine finanziell abgesicherte Zukunft ermöglichen können, und und und… Für mich ist das so wahnsinnig erfüllend, dass sich diese Lebensziele bewahrheiten konnten, dass ich es nicht verstehen kann, wie Franziska dabei so ungeheures Unglück und Unzufriedenheit empfinden kann.

Als ich klein war, hatten wir nie viel Geld, und es gab Dinge, von denen ich nur träumen konnte (neues Fahrrad oder ein schönes Auto). Trotzdem hatte ich nicht das Gefühl, dass uns das daran hinderte, glücklich zu sein. Ich hatte zwei Eltern, die mich liebten, Verwandte, die das auch taten (meine Tante Moni und Onkel Meinhard), und ich hatte tolle Freunde, mit denen ich aufwachsen durfte. So früh wie möglich hatte ich meinen ersten Job – mit 9 Jahren habe ich den Kirchenanzeiger ausgetragen –, sodass ich immer ausreichend Geld für mich ansparen konnte und aus meiner Sicht einen sehr guten Umgang mit finanziellen Dingen beherrsche. Wir wuchsen in einer 75m² großen Dreizimmerwohnung auf, und ich teilte mir lange ein Zimmer mit meinem Bruder Adrian. Fast alle Nachbarskinder wuchsen in solchen Verhältnissen auf, das war normal für uns. Jetzt leben wir in einem Haus mit 144 m² Wohnfläche und haben einen Garten mit 800 m², dazu eine große Garage mit Werkstatt und Gartenhaus. Zwei direkte Nachbarn, mit denen wir uns gut verstehen, keiner nervt, und wir können tun und lassen, was wir möchten. Also mehr, als ich mir je hätte erträumen können.

Trotzdem scheint das Franziska nicht genug zu sein. Sie ist hier (bei mir) nicht frei, kann nicht das tun, was sie möchte, und nicht die sein, die sie ist. Blöd nur, dass ihr das jetzt nach so langer Zeit mit zwei Kindern erst klar wird. Ich habe immer versucht, mit offenen Karten zu spielen, ihr also nichts vorzumachen und jemand zu sein, der ich nicht bin. Mein Umgang mit ihr hat sich sicher mit der Zeit geändert, das stimmt. Aber nicht die (damals noch) gemeinsame Vision mit Kindern, Haus und Dorf. Neulich sagte sie, dass ihr das Haus zu klein sei. In solchen Momenten versetze ich mich zurück in meine Kindheit und stelle mir Frau und Kinder vor, wie wir jetzt sind. Da wären wir wahrscheinlich längst alle in der Anstalt, und die Kinder in der Fürsorge. Das wäre überhaupt nicht gegangen, und daher muss ich vor meinen Eltern jedes Mal den Hut ziehen, wie sie das gemeistert haben. Vor allem meine Mutter hatte all die Arbeit mit uns Kindern, hat sich um alles gekümmert und ist daran nicht zerbrochen. Umso mehr wird mir klar, wie viel Wert es hat, gesund zu sein, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch, und wie weit hier die Generationen auseinander liegen. Ich bin Jahrgang 1981, und Franziska 1991. Ein Berufsleben ist in diesem Zustand nahezu unvorstellbar, aber Geld muss schließlich verdient werden. Genau das bereitet mir so große Sorgen. Was passiert, wenn ich es nicht schaffe und ebenfalls zerbreche? Damit würde das Haupteinkommen wegfallen. Reserven gibt es zwar genügend, aber damit wäre ein Hauskauf unmöglich, und die Zukunft wäre absolut ungewiss.

Ich hoffe, wenn ich auf diese Zeilen in ein paar Jahren zurückblicke, dass sich alles zum Guten gewendet hat, es Franziska wieder gut geht, unsere Kinder wohlauf sind und wir ein gutes Verhältnis zueinander haben. Ich wünsche mir so sehr ein Zuhause, in dem es Liebe gibt, denn das ist der Motor für alle positiven Entwicklungen in der Zukunft. Damit lässt sich auch alles erreichen, und nichts mehr wünsche ich mir für meine Kinder.

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